Gemini - The Twin Stars. A Jaques Sandoz Film - The Story in Pictures © by Primwest


 
 
Gemini - The Twin Stars
 
Romantic Mystery Thriller (SUI/USA/GREECE 1989) / Originalstory: Jaques Sandoz / Drehbuch: Jean-Bernard Billeter / Regie: Jaques Sandoz / Produktion: Jaques Sandoz, S.A.; RTSR; Barbara Zahm; Tonia Shoumatoff; Strada Films, S.A. / Besetzung: Gene Patrick, Thomas Nock, Aurore Clement, Dennis Moynahan, Jango Edwards, George Harrison.
 
    0. Der Film

Dem Genfer Filmemacher Jaques Sandoz gelang mit diesem denkwürdigen Werk aus dem Jahr 1989 eine atemberaubende Neuinterpretation dieses bis heute unverändert faszinierenden Themas aus der griechischen Mythologie. Mit seinem intuitiven Blick für authentische Details, großer filmerischer Leidenschaft, einem hochintelligenten Drehbuch und einer exzellenten Schauspielerriege erweckt er kongenial und fernab jeglicher Klischees den Mythos von Kastor und Pollux im New-York der Gegenwart zu neuem Leben bevor sich der Kreis nach mehreren Zwischenstationen auf dramatische Weise im kykladischen Meer endgültig schließen wird. Ausgezeichnet mit dem "Prix de Public" beim Gijon Filmfestival 1989. Vieldiskutierter Beitrag beim Cannes Film Festival 1989.


 
    1. Erster Teil des Prologs

Die Eröffnungssequenz startet im hochalpinen Gebiet der Schweizer Alpen. Hier zeigt uns der Regisseur zunächst den späteren Kastor Thomas Fassler (großartig: Jungsstar Thomas Nock in der Rolle seines Lebens) in seiner angestammten heimatlichen Umgebung.


 

Thomas Fassler verlässt bisweilen die Farm seiner Eltern und widmet sich fasziniert der Beobachtung der im Hochgebirge ansässigen Adlerbestände, was ihm -wohl auch zu seiner eigenen Überraschung- hervorragend gelingt, die Tiere lassen ihn bis auf kürzeste Distanz an sich heran, ohne zu flüchten.
Analyse: Eine interessante Variation, die die Affinität und Geschicklichkeit des mythologischen Kastors im Umgang mit Tieren referiert. Erstmals in der Ilias wird Kastor als aristokratischer Held und "hippodamos"(Rossbändiger) charakterisiert (vgl.: Ilias III, 236ff). Eine entsprechende Charakterisierung findet sich ebenso in der Odyssee (vgl.:Odyssee XI, 298ff) und in den leider nur fragmentarisch erhalten gebliebenen Kyprien (vgl.: Chres. des Proklos; Pindar, Nem. X) sowie bei Hesiod (vgl.: Hesiod, Fragmente 196ff). Auf die Affinität des Kastors zu Pferden im besonderen nimmt Jaques Sandoz in einer späteren Szene noch explizit Bezug.


 

Im Anschluss an die überwältigenden Einstellungen im Hochgebirge sehen wir nun abschließend Thomas Fassler noch in seiner familiären bzw. häuslichen Umgebung im Tal auf der Farm seiner Eltern. In der Abbildung bewegt sich Thomas Fassler gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Lukas Fassler (links; dargestellt von Georg Dietrich), der ihm entgegengeeilt war, nach der glücklichen Rückkehr von der Adlerbeobachtung auf das Farmhaus zu. Beide Brüder verbindet eine tiefe Vertrautheit, sie beschließen, die nächste Beobachtungstour gemeinsam zu unternehmen. Analyse: Hier bereitet Jaques Sandoz bereits die Verknüpfung der mythologischen Komponente seines Films mit einer klassischen "quester hero story" vor. Der Held wird dabei zunächst in seinem ursprünglichen Lebensbereich thematisiert, bevor schicksalhafte Ereignisse ihn zum Verlassen dieser Lebenswelt bewegen und ihn auf eine weite Reise schicken werden, wo er aufgrund kriegerischer, emotionaler und amouröser Abenteuern so wachsen kann, dass er sich schließlich vom unbedarften Jüngling zum gefeierten Helden entwickeln kann. Klassische Beispiele: Luke Skywalker (Wüstenplanet, bei George Lucas in "Star Wars" von 1977), Frodo Baggins (Hobbingen, Auenland, bei Tolkien, 1954). Zwar wächst Thomas Fassler nicht wie der klassische "Hero" ohne Eltern bzw. bei seinem Onkel auf, er hat vielmehr Vater, Mutter und drei Geschwister, dennoch ist das Grundprinzip hier als evident anzusehen. Mich persönlich erinnert die Einstellung links auch fast schon frappierend an die Auenlandsequenzen im ersten Teil von Peter Jacksons Ringtrilogie von 2001.


 

Thomas (links) zusammen mit seinem jüngeren Bruder Lukas beim Basteln eines "Tarnhutes" für die kommenden Adlerbeobachtungstouren. Dadurch soll der Träger sich den Adlern besser nähern können, indem er optisch gleichsam mit der Landschaft eins wird.
Analyse: Eine Analogie zum "Tarmhelm"- Thema aus der Mythologie scheint von Regisseur hier wohl nicht beabsichtigt gewesen zu sein und ist in diesem Zusammenhang vermutlich auch als irrelevant anzusehen.


 

Hier sehen wir Emil Fassler, den Vater von Thomas und Lukas, wie er die Kühe auf der Familienfarm versorgt.
Analyse: Im antiken Griechenland galt der Besitz einer Kuhherde als höchste Form materiellen Wohlstands. Die Fasslers können gemessen an diesen Maßstäben durchaus als aristokratische Familie gelten. Thomas kann somit ebenso wie der antike Kastor eine entsprechend wohlhabende Herkunft vorweisen. Nicht zu vergessen ist auch die Tatsache, dass der mythologische Kastor letzlich beim Streit um eine Herde Kühe getötet wurde.


 

Thomas zusammen mit seinem Vater Emil Fassler (dargestellt von Lorenz Hugener) auf der Familienfarm in jenem einzigartigen Licht am Frühabend, wenn die unvermeidlich hereinbrechende Dämmerung nochmals für einen Augenblick ihren dunstgeschwängerten Atem anzuhalten scheint.
Thomas hört hier in dieser Szene Musik mittels eines (Tape-)Walkmans. Aus dem Kopfhörer dringt gedämpft und blechern wie aus einer Spieldose der Song "Beats So Lonely" von Charlie Sexton. Er spürt in diesem Moment, wie einst Luke Skywalker im unvergeßlichen Untergang der Zwei Sonnen, dass sich sein bisheriges Leben schon bald grundlegend ändern wird, dass etwas ihm bis dahin völlig Unbekanntes Einfluß auf sein Leben nehmen wird und dass dann danach nichts mehr so sein wird wie vorher.


 

 

 
    2. Zweiter Teil des Prologs

Knallharter Wechsel zum zweiten Handlungsstrang nach New-York-City. Wie früher Klaus Kinski schraubt sich Matthew McLaren (von Gene Patrick mit einer ausgereiften schauspielerischen Leistung dargestellt) ins Bild. Er repräsentiert hier im Film von Jaques Sandoz den jungen Polydeukes (der gebräuchlichere Name "Pollux" repräsentiert dagegen die römische Form dieses Namens).
Analyse: Polydeukes entstammt in der griechischen Mythologie der Verbindung zwischen Zeus (Gottheit) und Leda (Tochter des Königs Thestios von Aitolien). Als Sohn eines Gottes und einer Sterblichen ist Polydeukes aufgrund der Gnade seiner göttlichen (Teil-)Herkunft selbst unsterblich. Clemens von Alexandria zitiert aus den weitgehend verloren gegangenen Kyprien diesen Sachverhalt, der in der ILIAS (wo am Ende sowohl Kastor als auch Polydeukes als tot und begraben bezeichnet werden) gar nicht und in der ODYSSEE nur in Andeutungen Erwähnung findet, ganz explizit: "Kastor aber war sterblich, das Schicksal des Todes war ihm bestimmt; unsterblich aber war Polydeukes [Deutsche Übersetzung durch den Verfasser]."(vgl.: Clemens von Alexandria, Protrept 2, 30, 4ff)


 

Hier sehen wir nochmals Matthew McLaren in seiner ersten Filmszene, jetzt mit Stirnband im Profil ohne Motorradhelm . Der Schauplatz New-York-City repräsentiert ganz im Gegensatz zur beeindruckenden aber letztlich doch beschaulichen Bergwelt der Alpen im ersten Prolog die Metropole der Metropolen der modernen Welt, die Stadt der Städte, den Olymp der Sehnsucht der restlichen Welt. N.B.: Der Film spielt im Jahr 1989, also lange bevor das 9/11 Trauma die Stadt heimsuchte und bevor in Asien die dortigen Megacitys entstanden.
Analyse: Deutlich wird auch: Natur und Tiere spielen in NYC nur eine untergeordnete Rolle. Matthew reitet kein Pferd, sondern fährt ein Motorrad aus lebloser Materie, das er zudem den Namen einer Motorsportfirma trägt, deren derzeitiger Chef auf den Namen Ron Dennis hört, eröffnet uns weitere (keinesfalls zufällige) Hinweise. Das farbige Stirnband von Matthew richtet den Blick des Zuschauers auf einen weiteren Aspekt in Analogie zur antiken griechischen Welt. Schmale Stirnbänder aus verschiedenen kräftigen Farben wurden dort einst zur Kennzeichnung der Zugehörigkeit zu verschiedenen Mannschaften bei sportlichen Wettkämpfen verwendet. Sie stellten dabei jedoch kein modisches Accessoires dar, sondern waren vielmehr eine pure Notwendigkeit, da es zu jener Zeit üblich war, dass die einzelnen Athleten ihre Wettkämpfe nackt absolvierten. Durch sein spezifisches Outfit wird Matthew McLaren also bereits hier als "Athlet", als talentierter schlagkräftger Sportler eingeführt. (Näheres dazu: vgl.: unten die Ausführungrn beim 5.Bild im 2.Prolog)


 

Dennis (dargestellt von Dennis Moynahan), ein enger Freund Matthews kommt mit einem Taxi zum vereinbarten Treffpunkt. Die Art und Weise des Körperkontakts bei der Begrüßung lässt auf eine tiefe und langjährige Vertrautheit der beiden schließen.
Analyse: Dennis repräsentiert hier im New-Yorker Handlungsstrang des Films den jungen Kastor. Kastor entstammt in der griechischen Mythologie der Verbindung zwischen Tyndareos (König von Sparta, zeitweise auch ins Exil nach Aitolien vertrieben) und Leda (Tochter des Königs Thestios von Aitolien). Über seine Mutter Leda ist Kastor somit der (Halb-)Bruder von Polydeukes. Da aber seine beiden Elternteile, also sowohl Leda als auch Tyndareos Sterbliche waren, war auch Kastor aufgrund seiner Herkunft selbst sterblich.(vgl.:Ausführungen zum ersten Bild des "Prologs, zweiter Teil"; vgl.: Clemens von Alexandria, Protrept 2, 30, 4ff)


 

Nochmals Dennis (dargestellt von Dennis Moynahan) wie er sich aus dem Taxifenster hinaus zu Matthew beugt. In seiner Tasche hat Dennis einen nicht gerade kleinen Beutel mit Kokain deponiert, dessen Inhalt die beiden heute Nachmittag an zwei Dealer verkaufen wollen.


 

Matthew (links) und Dennis (rechts) neben ihren jeweiligen Transportmitteln.
Analyse: Es mag auf dem ersten Blick nicht einleuchtend erscheinen, warum Dennis als Kastor des New-Yorker Handlungsstrangs mit dem Taxi und nicht, wie man es von ihm als "hippodamos"(Rossbändiger) aus der griechischen Mythologie eigentlich hätte erwarten können, mit der modernen Version eines Pferdes, also mit dem Motorrad gekommen ist (vgl. auch oben dazu die Analyse zum zweiten Bild des ersten Prologs). Keineswegs hat Jaques Sandoz hier die griechischen Mythen, die seinem Film zu Grunde liegen, ad acta gelegt. Vielmehr wird schon in der ILIAS Polydeukes als "agathos pyx" (Faustkämpfer) bezeichnet (vgl.: Ilias III, 236ff); ganz ähnlich in der ODYSSEE (vgl.:Odyssee XI, 298ff). In den nur fragmentarisch überlieferten KYPRIEN sowie in den Fragmenten Hesiods trägt Polydeukes den Beinamen "aethlophoros", womit seine herausragenden athletischen Eigenschaften betont werden (vgl.: Chres. des Proklos und Schol. zu Pidnar, Nem.X, 114 und West, M. L.: Fragmenta Hesiodea, 1967, S.93ff). Polydeukes ist somit eindeutig der "toughere", schlagkräftigere Teil des ungleichen Paares, Kastor Dennis wirkt neben Polydeukes Matthew weicher, verletzlicher und unsicherer. Dass der härtete Matthew also mit dem MotorBike kommt und Dennis sich im sicheren Taxi fahren lässt, spiegelt diesen Sachverhalt sehr gut wieder.


 

Dennis (links außen) und Matthew (rechts außen) beim Treffen mit den vermeintlichen Dealern im dunklen Lagerkeller eines Schuhhandels. Dummerweise entpuppen sich Reuben (Darsteller: Mark Folger) und Sonny (Darsteller: John Petrella) zwischen den beiden als gerissene "under cover" Ermittler der Drogenfahndung. Sie zeigen ihre Dienstausweise und erklären Dennis und Matthew für verhaftet.


 

Als Dennis klar wird, dass er und Matthew aufs Kreuz gelegt worden sind, schwant ihm Übles, er sieht sein Ende kommen und muss völlig desillusioniert feststellen, bis zum heutigen Tag leider noch nie so richtig gefickt zu haben. Er spürt intuitiv, dass er als Jungfrau sterben wird. Extrem hart für einen Jungen in seinem Alter
Analyse: Hier zitiert Jaques Sandoz die Auseinandersetzung von Polydeukes und Kastor, die beide auch Dioskuren genannt werden, mit dem anderen berühmten Zwillingspaar der griechischen Mythologie, den Apharetiden. Die Apharetiden Idas und Lynkeus waren über ihren Vater Aphareus, einem Halbbruder von Kastors leiblichen Vater Tyndareos gewissermaßen Cousins von Polydeukes und Kastor. Sonny und Reuben repräsentieren hier in dieser Handlungssequenz somit Idas und Lynkeus. In den KYPRIEN war die Geschichte vom Kampf der Dioskuren mit den Apharetiden einst ausführlich geschildert worden, erhalten geblieben ist davon jedoch lediglich eine Inhaltsangabe: Nach einem gemeinsam durchgeführten erfolgreichen Raubzug gerieten Polydeukes und Kastor auf der einen Seite mit Idas und Lynkeus auf der anderen Seite in einen erbitterten Streit darüber, wie die Beute (damals eine Herde Kühe und kein Kokain (!!!) wie im Film ) gerecht zu verteilen wäre. Es kommt zum Kampf. Kastor wird von Idas mit dem Speer durchbohrt, Lynkeus wird von Polydeukes getötet. Polydeukes wird jedoch von seinem göttlichen Vater Zeus gerettet, indem er den angreifenden Idas mit einem Blitz niederstreckt (vgl.: Chres. des Proklos und Schol. zu Pidnar, Nem. X, 114).


 

Nachdem Matthew mit Dennis zu fliehen versucht, eröffnen die Drogenfahnder Reuben (Darsteller: Mark Folger) und Sonny (Darsteller: John Petrella) das Feuer.


 

Zunächst hat es den Anschein, Dennis und Matthew könnten beide unverletzt entkommen, aber nach einigen Minuten der Flucht bricht Dennis vor dem Swiss Center, 5th Avenue / 49th Street zusammen. Matthew entdeckt bei seinem Freund eine schwere Schussverletzung.


 

Matthew schafft den blutenden Dennis ins Innere des Swiss Centers und legt ihn dort auf eine der Sitzgruppen für Besucher. Im Zeitpunkt des herannahenden Todes erleben beide ihre Freundschaft intensiver als jemals zuvor.


 

Während Matthew Dennis im Arm hält, macht der schwer verletzte Dennis Matthew auf ein Werbeplakat über der Sitzgruppe aufmerksam, das eine in naiven Stil gemalte fiktive Szene mit Bauern bei der Ernte auf einem Feld irgendwo in den Schweizer Bergen zeigt. Schon schwer benommen bittet Dennis Matthew darum, ihn an eben diesem imaginären Ort dort auf dem Poster zu schaffen.
Analyse: Das Bild links in hochauflösender Graphik (1024 x 768) gibt es hier.


 

Dennis wird bewusstlos. Im SwissCenter bricht Panik aus, Polizei und Notarzt werden gerufen. Im Hintergrund erkennt man das Werbeplakat.


 

Eine zufällig anwesende Ärztin (dargestellt von Marylee Martin) kümmert sich um den sterbenden Dennis. Als die Polizei eintrifft muss Matthew aufgrund der Drogengeschichte schleunigst verschwinden. Durch das Fenster wirft er einen letzten Blick auf seinen sterbenden Freund.


 

Nach diesen tragischen Ereignissen flüchtet sich Matthew zunächst in die Wohnung seiner Familie. Hier sehen wir Bob (dargestellt von John Camera), den Ehemann von Matthews Mutter und Vater von Matthews beiden Halbschwestern. Die Identität von Matthews leiblichen Vater bleibt dabei im Dunkeln. Analyse: Bob als Matthews Adoptivvater repräsentiert hier in einigen signifikanten Elementen die mythologische Figur des Tyndareos. Polydeukes (im Film von Matthew McLaren repräsentiert) entstammt einer Verbindung von Tyndareos´ Ehefrau Leda mit dem göttlichen Zeus (vgl.: Ausführungen zum ersten Bild des zweiten Prologs). Im weiteren Verlauf der Geschichte wurde Polydeukes schließlich von Tyndareos adoptiert und damit in seine Familie aufgenommen. Einen weiteren Aspekt stellt die aktuelle Lebenssituation von Bob dar. Er verfügt offenbar über kein Büro und scheint zu Hause behelfsmäßig am Esstisch mit reichlich Büchern und Manuskripten als Schriftsteller, Autor oder (schlechtbezahlter) freier Journalist zu arbeiten. Man könnte in ihm auch durchaus einen (europäischen) Intellektuellen erkennen, der einst aus seinem politisch instabilen Heimatland fliehen musste und nun im liberalen New-York im Exil lebt, wo er mit einer Amerikanerin verheiratet ist, mit der er mittlerweile zwei Töchter hat. Ganz entsprechend in der griechischen Mythologie: Tyndareos, einst zusammen mit Ikarios König von Sparta wurde durch Hippokoon und seine Söhne vom Thron Spartas verjagt und musste in Aitolien bei König Thestios um Zuflucht bitten. Dort heiratete er schließlich Leda, die Tochter von König Thestios, die ihm eigene Kinder schenkte, aber zusammen mit dem göttlichen Zeus auch u.a. die Mutter von Polydeukes wurde. Nach der späteren Adoption des Polydeukes durch Tyndareos gewann dieser sein Land zurück und wurde König von Sparta.


 

Zuhause angekommen zieht Matthew zunächst das schwarze, blutbefleckte T-Shirt aus, das er getragen hat, als er früher am Nachmittag den sterbenden Dennis im Arm gehalten hat. Bevor er sich jedoch ein frisches Hemd anzieht, nutzt er die Gelegenheit, um sich mit mit seinem "Ersatzvater" Bob zu besprechen, während er dazu seinen freien Oberkörper zeigt.
Analyse: Halbnackte Auftritte gutaussehender Hauptdarsteller sind offenbar nicht zu vermeiden, daher für alle, die sich so was trotzdem gerne anschauen wollen, hier das Bild links nun nochmal in hochauflösender Graphik (1016 x 573).


 

Hier sehen wir Matthew, wie er sich in seinem "Zimmer" ein frisches, kurzärmeliges Baumwollhemd über die Haut zieht. Matthews Zimmer ist eigentlich der rückwärtige Teil der Küche, der zum Wohnzimmer nur durch einen Vorhang abgegrenzt ist und wohl ursprünglich als Essbereich zwischen Küche und Wohnzimmer dienen sollte.
Analyse: Nachdem die richtigen Schlafzimmer der Wohnung offenbar schon an Matthews Schwestern vergeben worden sind, muss er mit dieser "Behausung" im Durchgang zwischen Küche und Wohnzimmer vorlieb nehmen. Ein Sachverhalt, der seine Rolle als Adoptivsohn seines Vaters nachhaltig zu unterstreichen scheint, ohne dass dies auch zwingend eine geringe Wertschätzung gegenüber Matthew seitens seiner Familie ausdrücken mag. Die Poster an der Wand lassen Matthews sportliche Vorlieben erahnen und entsprechen somit der mythologischen Charakterisierung des Polydeukes als "aethlophoros" in den nur unvollständig überlieferten KYPRIEN sowie in den Fragmenten HESIODs (vgl.: Schol. zu Pindar, Nem. X und West, M. L.: Fragmenta Hesiodea, 1967, S.93ff). Dezente Hinweise auf Matthews Liebesleben gibt zudem die busenfreie Puppe einer Meerjungfrau (Mermaid) rechts hinten auf seinem Bett. Wie er sich jedoch entspannt damit vergnügen soll, wenn sein Zimmer quasi ein offener Durchgang ohne jede Privatspähre ist, erscheint dem Betrachter dann doch gelinde gesprochen etwas schleierhaft. Wobei wir Matthew aber auf der anderen Seite diesbezüglich nicht unterschätzen sollten, als mit allen Wassern gewaschener New-Yorker wird er auch diesbezzüglich (eventuell spät in der Nacht) entsprechende Möglichkeiten für sein ganz privates Vergnügen finden. Das Bild links in einer hochauflösenden Version (1024 x 768) ist hier zu finden


 

Nach erfolgtem Hemdenwechsel versucht Matthew nun Bob,den Ehemann seiner Mutter, davon zu überzeugen, dass er New-York dringend verlassen muss. Matthew weiß, es ist für ihn unmöglich, nach dem Tod seines engsten Freundes Dennis weiter hier zu leben, womöglich ohne ihn überhaupt weiter zu leben. Er spürt, er muss Dennis in einer anderen Welt, einer anderen Dimension suchen und finden. Er kann nicht weiterleben, wenn Dennis an seinem Leben nicht mehr teilhaben kann. Bob hat ein Einsehen und "kauft" Matthews Motorrad, das noch immer in der Stadt an dem Ort abgestellt ist, wo sich Matthew und Dennis heute Nachmittag verabredet hatten, damit sich Matthew ein Flugticket nach Europa leisten kann.Analyse: Eine Szene mit einer fast exakten Entsprechung in der griechischen Mythologie. Kastor war beim Kampf gegen die Apharetiden gefallen, Polydeukes hatte durch göttliche Intervention überlebt (vgl.: Ausführungen zum 7. Bild des 2. Prologs). Nach den Siegesfeierlichkeiten betete Polydeukes zu Zeus, seinem göttlichen Vater: "Oh Vater, laß mich nicht länger als meinen teuren Bruder leben!" (LUKIAN, Dialoge, 26). Doch Zeus bestimmte, dass Polydeukes nicht sterben sollte. Dieser weigerte sich jedoch seine Unsterblichkeit anzunehmen, wenn Kastor nicht an ihr teilhaben konnte. So erlaubte Zeus schließlich den beiden ihre Tage abwechselnd in der Unterwelt und in der oberen Atmosphäre zu verbringen. Im New-Yorker Handlungsstrang des Films wird Bob hier nun vom Adoptivvater zum richtigen Vater von Matthew, indem er ihn wie einst Zeus ermöglicht, New-York (den Olymp der Welt) zu verlassen und Dennis irgendwo in der entlegenen "Unterwelt" in Europa zu suchen, um ihn (auf Welche Weise auch immer) zurückzubringen.


 

Einige Zeit später kommt Matthews Mutter (dargestellt von Mim Solberg) mit Matthews beiden jüngeren Halbschwestern (dargestellt von Melissa Page und Ginelle Jensen) zurück in die Wohnung. Matthew hat mit Bob, dem Ehemann seiner Mutter vereinbart, ihr und den Mädchen besser nichts von seiner unmittelbar bevorstehenden Abreise nach Europa zu erzählen. Matthew gibt vielmehr vor, einige Zeit in das Haus eines Freundes ins benachbarte New-Jersey zu ziehen, um dort vielleicht besser als hier in der engen Stadtwohnung auf die Prüfungen in der Schule lernen zu können. Analyse: Matthews Mutter wird im Film von Jaques Sandoz zwar leidiglich als "Mom" eingeführt, sie repräsentiert hier jedoch in vielen Facetten die Figur der "Leda", Tochter des Königs Thestios aus der griechischen Mythologie. Leda ist verheiratet mit Tyndareos, einem der aus Sparta vertriebenen Könige, der bei König Thestios in Aitolien Zuflucht gefunden hat. Mit Tyndareos hat Leda mehere eigene Kinder (so beispielsweise ihre Tochter Klytemnestra), mit dem göttlichen Zeus (also mit dem biologischen Vater von Matthew, dessen Identität auch hier in diesem New-Yorker Handlungsstrang weitgehend im Dunkeln bleibt) hat sie mit Polydeukes (hier durch Matthew repräsentiert) und Helena weitere Kinder außerhalb ihrer Ehe. Polydeukes wurde später von Ledas Ehemann Tyndareos adoptiert, der am Ende siegreich als König aus dem Exil in Aitolien nach Sparta heimkehrte.


 

Matthew verabschiedet sich von seiner Mutter, bevor zum Airport aufbricht. Während sie meint, dass er nur nach New-Jersey fährt, spürt Matthew, dass er sie niemals wieder sehen wird. Analyse: In dieser Szene erhalten wir nochmals einen um neunzig Grad variierten Einblick in Matthews "Zimmer": Es handelt sich dabei also lediglich um den durch zwei halbhohe Schränke abgeteilten rückwärtigen Teil der Küche der Wohnung von Matthews Familie. Am Bildrand rechts erkennen wir den nur mit einem Vorhang abgetrennten Durchgang zum Wohnzimmer, wo Bob über seinen Büchern sitzt. Offenbar war Matthews "Behausung" ursprünglich als Eßplatz zwischen Küche und Wohnzimmer geplant. Im Gegensatz zum gepflegten Wohnzimmer, sind hier in der Küche die Wände unverputzt und wirken irgendwie schäbig. Im Vordergrund hängt eine ältere schwarz-weiss Fotographie, die Matthews "Adoptivvater" Bob als jungen Mann in einem luxuriösen Ambiente zeigt. Essig- und Ölflasche stehen unmittelbar auf der angrenzenden Küchenkomode schräg oben neben Matthews Bett, ein kräftiger Ruck (durch was auch immer) und Matthew erhält eine Dusche aus Salatdressing. Die kahlen, weissgetünchten Ziegelwände hat sich Matthew durch einige Poster und eine Pinwand etwas wohnlicher gestaltet, als Kleiderschrank benutzt er ein an der Wand hängendes Gestänge für Socken, T-Shirts und Unterwäsche, seine Hemden findet man auf einem Bügel vorne darangehängt. Für einen Schreibtisch ist kein Platz, das Fenstersims dient als Ablage für Bücher und zugleich als Nachttisch. Matthews Familie ist dabei sicher nicht als "arm" zu bezeichnen, vielmehr hat die Wohnung eben nur zwei oder drei Schlafzimmer, wodurch sich Matthew, als der robuste ältere Bruder eben im hinteren Teil der Küche einquartiert wieder findet, was seine durchaus seine Position als Adoptivsohn von Bob ausdrücken mag, jedoch keinesfalls zwingend auf eine Gerinschätzung seitens seiner Famlie hin zu interpretieren ist. Vielmehr kann die "Behelfsmäßigkeit" von Matthews Unterbringung dabei auch im Lichte der in Kürze anstehenden Loslösung Matthews von seiner Familie (Auszug nach dem Schulabschluß) gesehen werden: Er ist jetzt schon eher Gast als "Dauermieter" bei seiner Familie.
Dieses Bild in hochauflösender Graphik ist hier zu finden.


 

Matthew McLaren auf dem Weg zum Airport.
Analyse: Filmautor Jaques Sandoz hat nun auch Matthew in seiner "Herkunftswelt" vorgestellt. Wie schon in der Figur des Thomas Fassler im ersten Prolog wird damit hier die Kombination der mythologischen Komponente der Handlung mit der besonderen Transformation einer klassischen "quester-hero-story" vorbereitet. Die Hauptperson wird dabei üblicherweise zunächst in ihrem ursprünglichen Lebensbereich thematisiert, bevor schicksalhafte Ereignisse sie zum Verlassen dieser Lebenswelt bewegen und sie auf eine weite Reise schicken, wo sie aufgrund kriegerischer, emotionaler und amouröser Abenteuern so wachsen kann, dass sie sich schließlich vom unbedarften Jüngling zum gefeierten Helden entwickeln kann (vgl.auch: Ausführungen zum 3.Bild des ersten Prologs). Im Fall von Matthews Abreise aus dem tosenden New-York-City ins dagegen eher beschauliche Europa kann aber eine solche Entwicklung nur bedingt festgestellt werden. Vielmehr verabschiedet sich Matthew aus der Stadt der Städte, aus der Metropole der Metropolen, was soll da an noch härteren Abenteuern in fernen Ländern auf ihn zukommen ? Das Leben in NYC scheint an keinem anderen Ort der Welt mehr zu toppen zu sein. Es ist also hier stimmiger im Matthews Fall eher von einer "inverse-comming-of-age-story" zu sprechen. Matthew hat genug vom Leben in der Megacity, die niemals schläft, er hat alles gesehen, er hat alles erlebt, ihn schockiert nichts mehr, ihn wundert nichts mehr. Er geht daher unter dem Druck der Ereignisse genau den umgekehrten Weg des klassischen Helden. Vom Ort, wo jeden Tag Weltgeschichte geschrieben wird, flüchtet er zurück in die Provinz, vom Olymp der Neuzeit hinüber in die Unterwelt des alten Europas. Regisseur Jaques Sandoz hat diesen Schlüsselaspekt seines Films einmal so beschrieben:" A young man's flight from danger crosses another young man's quest for adventure." Die Flucht der einen Hauptperson vor Gefahr und Bedrohung kreuzt also die Suche der anderen Hauptperson nach Abenteuer und Veränderung. Als Matthew ins Flugzeug nach Geneva steigt nähert er sich unwiderruflich dieser mystischen Kreuzung.


 

 

Soweit die Vorbemerkungen, die Geschichte beginnt.....
 
 
3. Geneva   4. Mountains   5. St. Moritz   6. Mykonos   7. Anhang
 

 

 

 

Bildmaterial © by Primwest   Autor: Johannes Weidemann   Eine gekürzte Version dieses Papers wurde am 27. Juli 2006 an der Universität Augsburg im Rahmen der Off-Campus-Summer-Sessions 2006 präsentiert   Text © Johannes Weidemann   Rechtlicher Hinweis: Diese Website verfolgt keinerlei kommerzielle Interessen. Sofern dennoch Urheber- bzw. Persönlichkeitsrechte tangiert werden, bitten wir um eine kurze Mitteilung [Fax:(00)-49-(0)-3221-1262486], das betreffende Material wird dann umgehend entfernt. Letzte Aktualisierung am 15. Februar 2007.